Die kleineren Steyr 6-Zylinder, der Beginn der Fließbandfertigung bei Steyr,
der 8-Zylinder von Ferdinand Porsche - und die Folgen der Wirtschaftskrise ab 1929.
Im Oktober 1925, anläßlich der Olympia-Motorshow in London, hatte der neue kleine 6-Zylinder - Steyr XII (Steyr 6/30 PS) seine Premiere. Österreich (Steyr und Austro Daimler) waren das erste mal seit 1913 wieder vertreten. Im Inland hatte die Währungsreform für kalkulierbare Preise gesorgt und Deviseneinnahmen waren willkommen um auch im Ausland einkaufen zu können. - Bei seiner Vorstellung war die Fachpresse voll des Lobs und der Bewunderung.
Steyr-Werbungen und Berichte aus der AAZ 1925, Nr. 20-23, über die Premieren in London und Berlin, Bericht über den neuen Steyr XII
Der von Anton Honsig *) konstruierte
"12er Steyr" war aber auch technisch absolut up to date.
Der laufruhige 6-Zylinder-Motor hatte zwar aus ökonomischen
Gründen den bescheidenen Hubraum von 1,6 Litern, leistete aber
mit kettengetriebener obenliegender Nockenwelle und leichtläufigen
Rollenlagern dennoch 30 PS bei 3000 U/min.
Die aufwendige hintere Achsaufhängung mit feststehendem Differential
und freischwingenden Achshälften ("Schwingachsen")
führte zu hohem Komfort und zusammen mit dem leichten Tiefrahmen-Fahrgestell
zu guter Straßenlage.
*) Anton Honsig verließ Steyr als Ferdinand Porsche zu Steyr kam (s.u.), er war später bei Auto-Union.
Steyr XII Innenlenker in Weymann-Luxus-Ausführung
Steyr XII Innenlenker Weymann Confort
- mit Koffer und Sturmstangenattrappe
Steyr XII Double Phaeton
Steyr XII -Taxi-Landaulet
Der Steyr XII war der erste Steyr aus Fließbandfertigung, er wurde dennoch mit einer Vielzahl verschiedener Karrosserien angeboten.
Werbebroschure über Steyr-Fertigung - 1926
Die Bauzeit des Steyr XII war gekennzeichnet durch die Aufbruchsstimmung der Zwanziger Jahre. Geld wurde verdient und ausgegeben, Autos verkauften sich gut, die Produktionszahlen stiegen.
Von 1926 bis 1929 wurden 11.124 Stück Steyr XII gebaut. Nicht zuletzt, weil auch der Export dieses Modells forciert wurde, u.a. auch über eine eigene Vertriebsgesellschaft in Deutschland.
Der Preis von 6290 RM für das einfache "Double-Phaeton" war zwar kein Sonderangebot, aber die Kunden waren bereit die hohe Zuverlässigkeit zu honorieren.
Neben Steyr selbst bauten auch zahlreiche Karosseriehersteller Aufbauten für den Steyr XII
Steyr bot 1928 neben dem Typ XII auch den "großen" Steyr XVI mit dem 4-Liter 6-Zylinder Motor und 70 PS, sowie den Typ VII mit 3,3 ltr und 50 PS an. Siehe: .
Waren bei Steyr im Jahr 1927 schon über 3800 Fahrzeuge gebaut worden, so stieg die Produktion 1928 auf 4300 Stück. 1929 schien es so weitergehen zu wollen.
Infolge der hohen Nachfrage wurden 1929 Fahrzeuge auf Vorrat gebaut, um lange Lieferzeiten zu vermeiden. Mit Beginn der Wirtschaftskrise November 1929 - Siehe - saßen die Steyr-Werke plötzlich auf einer Halde unverkaufter Autos. Daher wurden Steyr XII und Steyr XX (siehe unten) auch in den Jahren 1930 und 1931 angeboten, obwohl keine Fahrzeuge mehr gebaut wurden.
Neben den Personenwagen wurden auch Nutzfahrzeugvarianten dey Steyr XII gebaut - siehe
Da vielen Kunden die Motorleistung des Steyr XII zu gering war, wurde als Ergänzung zum '12er-Steyr' ein weiterer Typ, der Steyr XX mit 2 ltr. Motor und 40 PS entwickelt und Ende 1928 vorgestellt. Diese Entwicklung fiel bereits in die Zeit der Anstellung von Ferdinand Porsche als technischer Leiter der Werke. - Ferdinand Porsche nahm neben der Fertigentwicklung des Steyr XX sofort den nächsten Schritt in Angriff: - die Entwicklung eines Nachfolgers, eines modernen 'Mittelklassewagens'. Dieser sollte als Steyr XXX ab 1930 den Steyr XX ablösen. - siehe
Der Steyr XX wurde vom Pubikum sofort angenommen und war 1929 der meistproduzierte Typ. siehe - Um die vorhersehbaren, ansteigenden Lieferzeiten zu vermeiden, wurde auch auf Vorrat gebaut. Die erforderlichen Kreditaufnahmen vergrößerte enorm die im Oktober 1929 eintrendenden finanziellen Folgen der Wirtschaftskrise (siehe unten).. Die auf Halde stehenden Fahrzeuge wurden daher auch 1930 und 1931 noch angeboten.
Steyr lieferte den Typ XX als geschlossenen und offenen 4-Türer, auch mit Baehr Aufsatz, als 'Weyman-Limousine' und als 2-türiges Cabriolet mit eigenen oder bei WKF hergestellten Karosserien. (Die WKF, Wiener Karosseriefabrik, war seit 1920 im Besitz der Österr.Waffenfabrik, ab 1926 Steyr Werke). Für den deutschen Markt wurden Karosserien auch bei Gläser in Dresden gefertigt.
Steyr XX / Steyr 8/30 HP - 1929 - 4-Fenster Cabriolet - Karosserie Gläser Dresden
Steyr XX / Steyr 8/30 HP - 1929 - Steyr und WKF - Karosserien
Steyr XX / Steyr 8/30 HP - 1929 - Gläser - Karosserien
Anfang des Jahres 1929 lief die Produktion bei Steyr auf vollen Touren. Die Bestellung von Ferdinand Porsche als technischer Leiter hatte die Euphorie zusätzlich geschürt.
Der immer aktive Ferdinand Porsche baute nicht nur eine neue Villa in Steyr, sondern plante die Zukunft mit einem neuen Mittelklassewagen für 1930, dem Steyr XXX - siehe Steyr XXX - und wollte auch einen, seinen früheren Konstruktionen bei Austro Daimler gleichwertige, Repräsentationslimousine bauen - den Steyr Austria mit 8-Zylinder-Motor.
Wegen der guten Auftragslage wurde Porsches Absicht, einen luxuriöses Oberklasse-Fahrzeug zu bauen, nie in Frage gestellt. Die Vorstellung des 100 PS starken 5,3 ltr Wagens am Pariser Autosalon erregte Aufsehen - und Stolz bei den Steyr-Leuten.
Prototyp Steyr XXX, Steyr XX und Steyr Austria
Leider wurden alle Träume zerstört. - Zuerst eine Bankenkrise mit folgendem Besitzerwechsel bei den Steyr-Werken, (siehe unten) - dann die Meinungsverschiedenheiten zwischen Ferdinand Porsche und den neuen Besitzern, die mit dem Weggang von Porsche endeten.
Der Zusammenbruch der Bodencreditanstalt, die Hausbank und gleichzeitig Hauptaktionär der Steyr-Werke war, führte zum Wechsel des maßgeblichen Aktionärs. Der neue Hauptaktionär, die Creditanstalt, war auch Hauptäktonär des Konkurrenten Austro-Daimler-Puch AG. ( 1928 Fusion AD und Puch ). Ferdinand Porsche sah sich wieder mit den Bank-Leuten konfrontiert, wegen derer Kritik er 1923 seinen Posten als Generaldirektor bei der Österr. Daimler-Motoren-Gesellschft ("Austro Daimler") aufgegeben hatte. Porsche verabschiedete sich von Steyr nach weniger als einem Jahr.
Der Steyr Austria, der ein ernst zu nehmender Konkurrent der großen Austro-Daimler gewesen wäre, wurde auf Weisung der CA nie gebaut. - Wahrscheinlich hätten die Folgen der Wirtschaftskrise (siehe unten) aber ohnehin das Ende des großen Steyr Austria bedeuet.
Die Steyr-Werke bauten aufgrund der bis Mitte 1929 stetig steigenden Nachfrage planmäßig auf Vorrat Fahrzeuge, um erwartete Lieferengpässe zu vermeiden.
Durch die gestiegenen Absatzzahlen waren einerseits hohe Außenstände entstanden, und andererseits durch die Vorratsfertigung zugleich auch hohe Kredite nötig geworden.
Beides trug mit dazu bei, dass die finanzierende Hausbank, gleichzeitig Hauptaktionär, die Bodencreditbank, im Oktober 1929 zahlungsunfähig wurde (siehe rechts).
Die bereits in der zweiten Hälfte 1929 sich verringernden Verkaufszahlen und in der Folgezeit jäh abbrechenden Umsätze durch die weltweite Wirtschaftskrise, bescherten Steyr eine Halde unverkaufter Fahrzeuge aller Typen, besonders des neuen Typs XX. Diese Menge unverkaufter Autos und die nun fehlenden Absatzmärkte hatte einerseits enorme Bankverbindlichkeiten und andererseits Massenentlassungen zur Folge.
Enorme Verluste zeichneten sich bereits Ende Sommer 1929 ab. Als Ausweg erschien Einstellung der Automobil-Produktion ab Herbst 1929 und Abverkauf der Haldenestände, die bis 1931 andauerten.
Porsches begonnene Entwicklung des neuen Steyr Typ 30 und eines darauf basierenden Lkw Typ Steyr 40 wurden jedoch weitergeführt und ca. im Herbst 1930 wurde - trotz des anhaltenden Produktionsstopps - der neue Steyr 30 vorgestellt.
Diese britische Preisliste aus Oktober 1930 zeigt die damalige Situation sehr gut: Obwohl die Produktion seit einem Jahr still steht, werden neben dem neuen, noch gar nicht produzierten, Steyr 30 auch die (noch im Vorjahr produzierten) Typen Steyr XII, Steyr XX und Steyr XVI angeboten.
Erst 1931 wurde in Steyr langsam wieder begonnen, Autos zu bauen. (1930 werden nur 4 Stück Steyr 30 und 8 Stück Steyr 45 Taxameter als Produktionszahlen genannt).
Trotz verschiedener Maßnahmen wurde die gesamte Situation in den Folgejahren nicht besser.
- Bereits 1929 veranlasste die Creditanstalt neben dem Produktionsstop zur Kostensenkung die Zusammenarbeit mit der mit der Austro-Daimler Puch AG. Gemeinsame Produktionsplanung, gemeinsamer Material-Einkauf und zentrale Verkaufsbereiche wurden festgelegt.
- Zusätzlich folgten direkte Kostensenkungen, wie drastischer Personalabbau.
Dieser Personalabbau, auf weniger als die Hälfte des Standes von 1928, trieb die ohnhin in angespannter wirtschaftlicher Lage befindliche Region Steyr in den absoluten Notstand mit Hungersnot und militanten Auseinandersetzungen.
Gerüchte von der Schließung der Steyr-Werke machten die Runde.
Die Nachricht von Porsches Weggang verstärkte diese Gerüchte.
Die kritische soziale Situation der Region Steyr wurde durch bürgkriegsähnliche militante Auseinandersetzungen noch zusätzlich belastet.
Viele verließen die Region und suchten anderswo, auch durch Auswanderung, ihr Glück. Steyr war 1930/31 die notleidenste Stadt Österreichs und auf karitative Hilfe, auch aus dem Ausland, angewiesen.
Für die Steyr-Werke waren die Verluste der Jahre 1929 bis 1933, auch nach Auflösung aller Reserven, fast doppelt so hoch wie das Aktienkapital von 1928. Nur durch drastische Abwertungen der Aktien (90% 1930 und 95% 1933, - dabei fiel der Kurs von ca. 28 öS in 1928 auf 0,1 öS in 1933) und gleichzeitigem Ausgleich aller Verluste durch neues Kapital (und entsprechend große Mengen neuer Aktien) konnte die Creditanstalt die Situation retten - und wurde gleichzeitig fast Alleineigentümer der Steyr-Werke AG.
Erst ab 1934 zeigten die Bilanzen wieder Erfolge.
- Wobei nicht vergessen werden soll, dass es im Februar 1934 immer noch bewaffnete Kämpfe mit Artellerie in Steyr gab, zwischen Heimwehr und Sozialisten (Schutzbund).
1934 wurde vom Hauptaktionär die Übernahme der Austro-Daimler-Puch-AG, der es wirtschaftlich nicht besser gegangen war, durch die Steyr-Werke AG beschlossen, wodurch die Steyr-Daimler-Puch AG entstand. Im Rahmen der folgenden wirtschaftlichen Konsolidierung wurden 1935 die Austro-Daimler Werke in Wiener Neustadt geschlossen und die dortige Fertigung von Austro-Daimler Spezialfahrzeugen (meist Militärfahrzeuge) samt aller Anlagen nach Steyr gebracht. - Bis 1940 wurden diese Austro-Daimler-Typen in Steyr weitergebaut. (siehe dazu Daten bei Steyr Nfz).
Bereits 1928 hatten Fachleute in USA vor Deflation und Spekulationsblasen gewarnt und die Zinspolitik der Notenbank kritisiert. Aber die Hoffnung auf weitere Gewinne und Angst vor weiter steigenden Preisen heizten Investitionsklima und Spekulationswut auf Kredit weiter an. Marktsättigung und nachlassende Nachfrage nach Wirtschaftsgütern führten ab Mitte 1929 zur Abflachung der Aktienkurse. Gewinne aus Kurssteigerungen, um teuer aufgenommene Kredite bezahlen zu können, konnten nicht mehr erwartet werden. Banken forderten unterdeckte Kredite zurück und es kam zu großen Aktienverkäufen, die am "Schwarzen Donnerstag", dem 24.10.1929 den Beginn des Crashs einläuteten. Ab Anfang 1930 erfasste die Krise auch Europa.
Die Lage in Österreich in den Vorjahren war völlig anders als in USA, die Folgen der weltweiten Währungs- und Kreditkrise führten deshalb in den Folgejahren zu noch schwerer wiegenden Einbrüchen.
Durch die Folgen der Nachkriegsjahre, das geschrumpfte Land, geringe Exporte durch Zollschranken, auch in den ehemaligen Heimatmärkten, die jahrelange Inflation und dadurch sehr verspätet einsetzendem Wachstum, wurde 1929 erleichtert erwartet, den Stand des letzten Friedensjahres 1913 wieder zu erreichen. Aber die Lage der finanzierenden Banken war instabil, auch durch gewagte Operationen, hohe Auslandskredite, überbewertete Vermögen und anderes.
Der Hauptaktonär der Steyr-Werke, die Allgemeine Bodencreditanstalt, (40%), war gleichzeitig die Hausbank der Steyr-Werke. Durch riskantes Geschäftsgebaren (Spekulationen u.a.) und gleichzeitgem Abfluß von liqiden Mitteln, u.a. um den Steyr-Werken die nötigen Kredite für die Vorratsfertigung (siehe oben - Steyr XX) zu gewähren, war die Bodencredit zusammengebrochen.
Die Geschäftsleitung der Bodencredit bat am 6. Oktober 1929 die Regierung um Hilfe.
Bundeskanzler Johannes Schober agierte sofort und erzwang mehr oder weniger die Übernahme der Bodencredit, samt aller Verbindlichkeiten und Werte, durch die Creditanstalt.
Dass die Creditanstalt mit der Übernahme der Verbindlichkeiten der Bodencredit eigentlich überfordert war, zeigte sich der Öffentlichkeit erst bei deren Erklärung der Zahlungsungsunfähigkeit am 8.5. 1931. Nur durch staatliche Interventionen und Schuldenübernahmen (1931 bis 1933), konnte die Creditanstalt, die größte österreichische Bank, und damit die Reputation der österreichsech Wirtschaft, gerettet werden. siehe dazu: Auszug aus der Geschichte der Creditanstalt / 1930 bis 1933 von Eduard März
Quellen: Prospekte und Bilder aus eigener Sammlung, aus AAZ und von T. Billicsich - danke :-)